Heute dampfe ich Obstsalat!

Über Technik, Geschmackserlebnisse und Nikotin-Entwöhnung

Es ist ein durchaus lauer Sommerabend. Das Wochenende regiert auch auf der Schützenstraße. Vor der gemütlichen Gartenhütte knistert in einem Gusseisenofen ein ansehnliches Feuer. Heftige Rocksounds einer fetzigen Geburtstagsparty in der Nähe wehen nur sehr gedämpft in die Gartenidylle herüber. In der Hütte herrscht zufriedene Sattheit. Einige aus der Runde räumen gerade die letzten ordentlich leergeputzten Teller zur Seite und füllen die Getränke auf.

Jetzt wäre die beste Gelegenheit für die sagenumwobene „Zigarette danach“. Von wegen! Hier zündelt kein Streichholz, hier knistert kein Drehtabak im Blättchen, hier fingert niemand „die mit Filter“ aus der fast leeren Schachtel: It’s Dampfing-Time! Zurückgelehnte Entspannung und offensichtliches Wohlbefinden kann der, der gute Augen hat, zwischen den hellen, aber dichten Tischwolken ausmachen. Und da! Ganz verlegen und mit deutlich roten Ohren steckt sich doch jemand tatsächlich nahezu unter der Tischplatte einen ekeligen Glimmstängel an! Aber Dampfer sind entspannte Menschenfreunde und tolerant bis auf das letzte Tröpfchen Liquid, was die elektrisch betriebenen Fastkeile zur Dampferzeugung aufheizen.

„Letztlich sind das Thema E-Zigarette und seine ständigen Fortentwicklungen aus den Vereinigten Staaten zu uns rübergeweht, als es um Nikotinentwöhnung und ‚endlich Schluss mit dem Rauchen machen‘ ging“, erläutert André Schmidt, der nach eigenem Bekunden weit über 20 Jahre „an der Zichte“ gehangen hat. „Auf irgendeiner Fete hat mich dann so ein Dampfer ziehen lassen – und damit hatte der ein Gerät weniger und ich eine neue Leidenschaft“, lacht Schmidt. Er ist dem sich mittlerweile entwickeltem Kult über Jahre ganz präzise und ehrgeizig nachgegangen, baut für seine akkubetriebene Dampfmaschine die winzigen Verrauchungseinheiten per Hand und hat Nachbarn und Freunde „wenn man so will, deutlich angefixt“.

Zwei Dampfer am qualmenden Ofen: André Schmidt (l.) und Florian Neuhaus.

Zwei Dampfer am qualmenden Ofen: André Schmidt (l.) und Florian Neuhaus. Foto: Martin Fahlbusch

„Das ist unser Dampf-Operator, fachlich bis zum letzten Zug“, scherzt Florian Neuhaus, der extra aus Münster vorbeigekommen ist und dessen Lieblingsrauchmischung in Richtung Erdnussbutter geht. Diese Runde trifft sich dann und wann, dampft sich einen oder mehrere, pflegt die gemütliche Gemeinschaft und fachsimpelt über Technik und Geschmackserlebnisse.

„Rauchen und Dampfen sind zwei verschiedene Welten“, sagt Elke Sutor, die immer wieder versucht hat, von der normalen Zigarette loszukommen. Sie will – wie die anderen übrigens auch – nicht vom Thema Nikotin und seinem Nervengiftcharakter sowie dem Suchtpotenzial ablenken. „Mir gefällt die ganze Atmosphäre, man pafft nicht gierig und nervös, schädigt die Lunge beim normalen Rauchen mit den Verbrennungsprodukten vielleicht noch mehr. Und wir können Einfluss auf den Nikotingehalt nehmen – und uns vielleicht allmählich davon entwöhnen“, hofft sie. Ihre Partnerin Susanne plagt nicht nur seit vielen Jahren das Asthma, sondern auch die Glimmstängelsucht. „Mit der Dampferei habe ich vielleicht einen Kompromiss für mich gefunden. Mein Facharzt jubiliert natürlich nicht, aber mich beruhigt gewissermaßen, dass die einzelnen Stoffe, die zum Mischen der Verdampfungsliquids verwendet werden, den Lebensmittelbestimmungen entsprechen müssen“, erläutert die Neu-Dampferin.

 Die meisten sind sogenannte Backendampfer.

André Schmidt

Und dann wird es wie in einer kleinen Chemiestunde. Es geht um Propylenglykol (PG) und pflanzliche Glyzerine (VG), Nikotin, naturidentische und natürliche Aromen, Geschmacksträger und Voltangaben, Verbrennungstemperaturen sowie Niedervolttechnik. Dem Berichterstatter schwirren die Sinne und schwindet die Konzen­tration. Aber bei dem Satz ist er wieder hellwach: „Heute dampfe ich Obstsalat.“

„Es gibt Dampfer, die brauchen bestimmte Technik und entsprechende Geräte, um das alte Rauchen, sozusagen direkt in die Lunge, nachzuahmen. Die meisten sind sogenannte Backendampfer“, erklärt Operator André Schmidt dem erstaunten Zeitungsmann. Mittlerweile lange Vater Staat über bestimmte Steuern auf die geschätzt derzeit drei Millionen Dampfer zu. Viele kauften keine vorgefertigten Liquids, sondern mischten nach eigenem Geschmack. „Ich habe den Eindruck, dass viele von uns mit dem Thema Nikotin viel sensibler und aufmerksamer umgehen“, betont André Schmidt, den der sicher umstrittene Genuss eher an das gemütliche Pfeife-Rauchen erinnert. Dazu brauche man halt auch Ruhe und Gelassenheit.

Quelle: www.wn.de/Muensterland/Kreis-Steinfurt/Ochtrup/2937864-Zu-Besuch-bei-einer-E-Zigaretten-Runde-Ueber-Technik-Geschmackserlebnisse-und-Nikotin-Entwoehnung. Foto: Martin Fahlbusch